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Kunst des 19. Jahrhunderts

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108 Ernst Ferdinand Oehme

1797 – Dresden – 1855

Sommernachmittag in Meißen. 1819

Öl auf Leinwand. 81,5 × 72 cm (32 ⅛ × 28 ⅜ in.). Unten rechts datiert und signiert: 18 E. Oehme. 19. Werkverzeichnis: Nicht bei Neidhardt. Mit einer Expertise von Prof. E. Schwarz, Leipzig, vom 25. Februar 1947. Retuschen. [3052]

Provenienz

Willi Reichstein, Leipzig (gestorben 1976, seitdem in Familienbesitz)

Addendum/Erratum

Die korrekte Datierung ist 1849

EUR 10.000 - 15.000

USD 11.000 - 16.500

Verkauft für:

19.050 EUR (inkl. Aufgeld)

Auktion 362

Donnerstag, den 28. November 2024, 15:00 Uhr

Fragen an die Experten

Nur in sehr seltenen Glücksfällen gelingen Neuentdeckungen wie diese. Viele Jahre und Jahrzehnte schlummerte Ernst Ferdinand Oehmes „Sommernachmittag“ einen wohlbehüteten Dornröschenschlaf in deutschem Privatbesitz. Und Dornröschen-Assoziationen liefert passenderweise auch das Bild selbst: Vor einer Burg-ähnlichen Architektur ranken sich Rosen rund um einen Söller, auf dem ein Mädchen steht und herabblickt auf einen jungen Mann, der tief unter ihr auf einer Bank Platz genommen hat und ganz in die Lektüre eines Buches versunken ist. Seine Kleidung mit der typischen Kopfbedeckung, die Rauchpfeife und der im Gras liegende Schläger weisen ihn als Studenten aus. Den sehnsuchtsvollen Blick der Frau scheint er nicht zu bemerken. Oder ist er ihretwegen hierhergekommen? Oehmes Erzählung bleibt etwas vage, der Ort hingegen ist überaus konkret. Wir stehen am Aufstieg zum Meißener Burgberg und blicken auf die Stadt mit dem hoch aufragenden Turm der Frauenkirche. Die Luft ist warm und atmet die friedliche Trägheit eines Spätnachmittags im Sommer. Fast meint man das Singen der kreisenden Vögel und das Plätschern des Brunnens zu hören, der rechts in die Mauer eingelassen ist. Bilder aus Eichendorffs Märchennovellen kommen einem in den Sinn. Da betrachtet Florio „verwundert Bäume, Brunnen und Blumen, denn es war ihm, als sey das alles lange versunken, und über ihm ginge der Strom der Tage mit leichten, klaren Wellen, und unten läge nur der Garten gebunden und verzaubert und träumte von dem vergangenen Leben“ (Joseph v. Eichendorff, „Das Marmorbild“, 1819). Diese Nostalgie weht auch durch Oehmes Bild, aber zugleich spürt man den Einfluss seines Lehrers Caspar David Friedrich. Und auch Ludwig Richter hat Anteil am „Sommernachmittag“. Von 1828 bis 1836 lebte er in Meißen, nicht immer glücklich und stets umso erfreuter über die Besuche seiner Dresdner Freunde Oehme und Carl Peschel. Der Weg zu Richter führte hoch auf den Berg, direkt an das Burgtor, wo die Familie an der Freiheit Nr. 2 das sogenannte Burglehenhaus bewohnte. Die Aussicht war „entzückend schön durch die hohe Lage und durch die romantische Umgebung” (Ludwig Richter, Lebenserinnerungen eines deutschen Malers, 1885), und so wundert es nicht, dass Oehme sich hier zu einer seiner erfolgreichsten Bilderfindungen inspirieren ließ: Seine in drei Fassungen überlieferte Komposition „Stille Weihnacht“ (heute im Albertinum in Dresden bzw. im Milwaukee Art Museum) kann zweifelsohne als das Gegenstück zu unserem Gemälde angesehen werden. Beide Bilder nehmen uns mit in die Kleinstadtidylle von Meißen, hoch in die Gasse, die zu Ludwig Richter führt: einmal im Sommer am Spätnachmittag, mit blühenden Rosen und goldenem Himmelsleuchten – und einmal im Winter, vielleicht zur gleichen Uhrzeit, mit funkelndem Christbaum hinter dem Fenster und Schnee auf den Dächern. FMG

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