Kunst des 19. Jahrhunderts

AusstellungNachlassausstellung Christian Ludwig Bokelmann und Hermann Baisch. Berlin, Nationalgalerie, 1894, Kat.-Nr. 2

Christian Ludwig Bokelmann ist ein Maler des 19. Jahrhunderts, den es noch zu entdecken gilt. Ganz im Geiste der Düsseldorfer Schule ausgebildet, beweisen seine Gemälde einen hohen Sinn für die Abbildung der Realität. Diese offenbart sich ihm in der peniblen Wiedergabe der Materie, sei es in dem opulent ausgestatteten Studio eines Kunstkenners (1879) oder in den verdreckten Schuhen armer Emigranten, die, bepackt mit ihrem letzten Hab und Gut, Abschied von der Heimat nehmen (1882). Man könnte Bokelmann mit gutem Willen einen sozialkritischen Maler nennen, aber das trifft nicht den Kern seiner Kunst. Die hier angebotene großformatige Ölstudie offenbart ihn als einen meisterhaften Schilderer des Augenblicks, einen Maler des Lichts und der versteckten Schönheiten des ländlichen Lebens. Seit Mitte der 1880er-Jahre bereiste Bokelmann Nordfriesland und die Insel Föhr; er freundete sich mit dem Landschaftsmaler Hans Peter Feddersen und dem niederdeutschen Dichter Klaus Groth an. Doch die künstlerische Konsequenz war kein brachialer norddeutscher Heimatstil, sondern die aufmerksame Schilderung der eigentümlichen Welt der nordfriesischen Bauern kurz vor ihrem historischen Verschwinden. Die Dialektik von der Unerbittlichkeit des bäuerlichen Lebens und der Bewahrung des Schönen in einer wenig lieblichen Region spiegelt auch unser Gemälde. Fünf junge Mädchen in nordfriesischer Tracht, die ihre Gesangbücher mit goldenen Schließen in den Händen halten, sind in die kleine, flach gedeckte Kirche von Ockholm im heutigen Hauke-Haien-Koog eingetreten. ...

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