Provenienzforschung spielt sich meist im Hintergrund ab, ist aber von enormer Bedeutung. Bei Grisebach forschen Isabel von Klitzing, Dr. Nadine Bauer und Susanne Baunach tagtäglich zu kurzen und langen Herkunftsgeschichten, zuletzt zur Sammlung Walter Bauer. Einige der Werke wurden in der NS-Zeit als „entartet“ diffamiert.
Worum geht es bei der Provenienzforschung?
Kurz: Wo kommt ein Werk her, wer hat es erworben, gesammelt, bewahrt – aber gegebenenfalls auch mitgenommen, verloren, verkauft oder eingelagert? Wir versuchen, die jeweilige Besitzgeschichte eines Objektes durch unsere Forschungen möglichst lückenlos zu rekonstruieren – von seinem Weg aus dem Atelier des Künstlers oder der Künstlerin bis in die Gegenwart. Dabei geht es nicht nur darum, wer ein Werk besessen hat, sondern auch unter welchen Umständen es die Besitzer gewechselt hat.
Wie geht ihr bei der Suche nach der Herkunft eines Kunstwerks vor?
Als Erstes schauen wir nach der Entstehungszeit eines Kunstwerkes. Alle Werke, die sich auf die Zeit vor 1945 datieren lassen, müssen wir untersuchen. Bei Werken, die während der NS-Zeit, also zwischen 1933 und 1945, ihre Besitzer wechselten, ist die Forschung besonders wichtig. Dabei lernen wir nicht nur etwas über die Objektbiografien, sondern oftmals viel über die Lebenswege der Personen, denen das Objekt vormals gehörte.
Welche Anhaltspunkte gibt es für frühere Eigentumsverhältnisse?
Signaturen, Etiketten und Inventarnummern auf der Rückseite können erste Hinweise geben. Dann prüfen wir unsere internen Unterlagen und vergleichen sie mit Auktionskatalogen, Ausstellungsnachweisen, Fotodokumentationen, Datenbanken wie Lost Art oder German Sales. Wenn nötig stellen wir externe Anfragen und recherchieren zum Beispiel in Archiven weiter. Oft ergibt sich aus vielen kleinen Fragmenten ein Gesamtbild.
Wie sieht das konkret aus?
Im Fall der Sammlung Bauer etwa haben wir anhand von Werklisten begonnen, nach möglichen Treffern in der Lost Art-Datenbank zu suchen. Außerdem ist es sehr wichtig in Bauers Unterlagen nachzuvollziehen, wann welches Werk in die Sammlung kam. Auf den so zusammengetragenen Informationen bauen dann mögliche weitere Forschungen auf.
Welchen Mythos über die Provenienzforschung würdet ihr gerne aufklären?
Viele glauben, wir könnten quasi auf Knopfdruck herausfinden, woher ein Werk kommt – das ist ein Mythos. Provenienzforschung ist akribisch, zeitaufwendig und oft frustrierend. Und sie liefert nicht immer eindeutige Ergebnisse. Ein weiterer Irrtum ist, dass Provenienzforschung und Einigungen vor allem in Museen beziehungsweise öffentlichen Einrichtungen durchgeführt werden. Aber auch im Kunsthandel passiert extrem viel, nur oft nicht öffentlich sichtbar. Ein transparenter Umgang wird immer mehr forciert, etwa durch Sichtbarmachung in Katalogen, aber auch über Beschilderung zu sensiblen Provenienzen während der Vorbesichtigung.