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47 Karl Schmidt-Rottluff

Rottluff 1884 – 1976 Berlin

„Bronzefigur einer kniend Betenden“. 1922

Bronze mit rotbrauner Patina. 30 × 6,5 × 7,5 cm (11 ¾ × 2 ½ × 3 in.). Auf der Standfläche des linken Knies signiert. Werkverzeichnis: Wietek (Plastik und Kunsthandwerk) 60. Einer von 2 Güssen. [3069]

Provenienz

Ehemals Victor und Hedda Peters, Leipzig (um 1937 im Kunsthandel erworben)

EUR 50.000

 

- 70.000

USD 56.200

 

- 78.700

Auktion 367

Donnerstag, den 5. Juni 2025, 18:00 Uhr

Fragen an die Experten

Die Bronze wurde 1922 nach der Holzfigur der „Kniend Betenden“ von 1916 gegossen (Wietek 9).

Als der Kunsthistoriker und Ethnologe Eckart von Sydow 1923 seinen Band der Propyläen Kunstgeschichte über „Die Kunst der Naturvölker und der Vorzeit“ veröffentlichte, war dieser nicht zufällig dem Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff gewidmet. Der Künstler hatte sich unter den Brücke-Malern offenbar am intensivsten mit der Formensprache der afrikanischen Plastik beschäftigt. Nachdem Vlaminck, Derain und Picasso schon ab 1905 afrikanische Plastiken als Inspirationsquellen für ihre Werke entdeckt hatten, hatte die Begeisterung für die exotisch und unverbraucht erscheinenden Arbeiten aus Völkerkundemuseen und Privatsammlungen auch auf die deutschen Expressionisten übergegriffen. Ernst Ludwig Kirchner etwa bekundete 1913 in seiner „Chronik der Künstlergemeinschaft Brücke“, er habe „im ethnografischen Museum [...] eine Parallele zu seinem eigenen Schaffen gefunden“. Bei Kirchner und Heckel ist der Einfluss afrikanischer Kunst sowohl in ihren Holzschnitten als auch in ihren Plastiken zu erkennen. Ihr Künstlerfreund Schmidt-Rottluff jedoch kann „als der am stärksten afrikanisierende unter den Bildhauern des 20. Jahrhunderts gelten.“ (Peter Stepan: Afrikanisch-europäische Synthesen, in: Die expressive Geste. Deutsche Expressionisten und afrikanische Kunst, Ostfildern 2007, S. 37) Das über viele Jahre anhaltende Studium afrikanischer und ozeanischer Werke schlug sich sowohl im Aufbau einer eigenen, umfanreichen ethnografischen Sammlung als auch in vielen seiner Werke nieder. Unsere seltene, offenbar nur in zwei Exemplaren gegossene Bronze von 1922 ist dafür ein herausragendes Beispiel. Unserer Plastik geht eine 1916 entstandene Holzfigur gleichen Titels voraus, die einst zur Sammlung der bedeutenden Hamburger Kunsthistorikerin und Sammlerin Rosa Schapire zählte: „Ich habe sie besonders geliebt“, erinnert sie sich noch 1952 an das verlorene Werk (zit. nach: Wietek, S. 127). In expressivem Sprachduktus hatte der mit Schmidt-Rottluff und Schapire eng befreundete Dichter und Publizist Wilhelm Niemeyer die Holzfigur 1918 eindrücklich beschrieben: „Die Emporsinnende. Die Gebet-Urform, knieend, grau-grün. Die Hände unter dem Kinn zum Strahl zusammengewachsen. Knieende Füsse hinten ein Traggerüst, wie die Schenkel von Heuschrecken, ein Wirbel von Linien, die Stützpunkte bilden. [...] Verhältnisse zum All in ihrer Grundform als Ausdrucksfiguren“ (zit. nach: Wietek, S. 232). Unser Werk ist eine sensationelle Rarität von musealer Bedeutung: Lediglich drei figürliche Bronzen sind im umfangreichen plastischen Werk Schmidt-Rottluffs bekannt. Der Bearbeiter des Werkverzeichnisses Gerhard Wietek vermutet, dass die in der legendären Berliner Gießerei von Hermann Noack ausgeführten Güsse auf die Anregung Georg Kolbes zurückgehen. Mit dem Berliner Bildhauer stand Schmidt-Rottluff in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in engem Austausch. Die Bronzearbeiten erweitern darüber hinaus einmal mehr das facettenreiche Œuvre Schmidt-Rottluffs. Besonders auf einer Ausstellung des Duisburger Museumsvereins im September 1926 wurde diese Vielfalt – darunter auch ein Exemplar unserer „Betenden“ – präsentiert: „Die Ausstellung des Schaffens dieses Führers neuzeitlicher Kunst bringt nicht nur Gemälde, Aquarelle, Holzschnitte und Radierungen dieses Malers, sondern auch seine angewandten Arbeiten, wie Mosaiken, Glasfenster, Intarsien, geschnitzte Kästen, Schmuck und Plastiken. In solch reicher Auswahl ist dieses Lebenswerk kaum jemals gezeigt worden“, heißt es in der Ankündigung der von August Hoff kuratierten Schau (Rhein- und Ruhrzeitung v. 2.9.1926). Ihren Platz fand unsere Bronze schließlich beim Leipziger Ehepaar Hedda und Victor Peters, deren bedeutende Kollektion an Werken Schmidt-Rottluffs 2020 zu einem großen Teil von den Kunstsammlungen Chemnitz erworben werden konnte. Das zweite Exemplar blieb für lange Zeit im Besitz des Künstlers, der es 1952 noch einmal in seinem „Stilleben um Glaskugel“ (Brücke Museum Berlin) verewigte. Seit 1973 wird dieses zweite Exemplar der Bronzeplastik in den Vatikanischen Kunstsammlungen in Rom bewahrt. Gloria Köpnick

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