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Zeitgenössische Kunst

Auf diesem Bild ist das folgende Kunstwerk zu sehen: Margaret Kilgallen. Ohne Titel (Molllasas). 1997.
Auf diesem Bild ist das folgende Kunstwerk zu sehen: Margaret Kilgallen. Ohne Titel (Molllasas). 1997.
704 Margaret Kilgallen

Washington, D.C. 1967 – 2001 San Francisco

Ohne Titel (Molllasas). 1997

9-teilig: Jeweils Acryl und Emaillefarbe auf Holz. 47 × 141 cm (18 ½ × 55 ½ in.). Rückseitig auf dem M ein Etikett von The Drawing Center, New York. [3105]

Provenienz

The Drawing Center, New York / Sammlung A.G. Rosen, USA (1997 beim Vorgenannten erworben) / Privatsammlung, Bayern

EUR 15.000

 

- 20.000

USD 17.600

 

- 23.500

Verkauft für:

19.050 EUR (inkl. Aufgeld)

Auktion 373

Freitag, den 28. November 2025, 16:00 Uhr

Fragen an die Experten

Ausstellung

Margaret Kilgallen. New York, The Drawing Center, 1997

In ihrer nur etwas mehr als zehn Jahre währenden Schaffensphase schuf die Amerikanerin Margaret Kilgallen ein vielseitiges Werk, inspiriert von Folk Art, Feminismus und ihrem Leben an der Westküste – ein Werk, das erst seit Kurzem die verdiente Aufmerksamkeit erhält.

1967 in Washington, D.C., geboren, fand sie über ihr Studium in Colorado ihren Weg nach San Francisco, wo sie den Künstler Barry McGee kennenlernte. Gemeinsam lebten sie im Mission District, damals ein lebendiges Viertel voller Einwanderer und Künstler:innen. Ihr Bohème-Leben war einfach: Möbel vom Straßenrand, Kleidung aus Secondhand-Läden – und auch ihre Arbeit war maßgeblich von ihrem Lebensstil beeinflusst. Sie arbeitete auf gefunden Materialien, wie Pappen, Sperrholzplatten, Schildern und alten Buchseiten.

Ihre Bildsprache speiste sich aus den handgeschriebenen Schildern ihres Viertels, aus amerikanischer und indischer Folk Art und Kunst aus Lateinamerika. Zusammen mit McGee gehörte sie bald zu den prägenden Protagonist:innen der San-Francisco-Street-Art-Szene. Graffiti und Murals waren für sie die ehrlichste Form der Kunst – sichtbar für alle, frei von Hierarchien. Unter dem Pseudonym „Matokie Slaughter“, benannt nach einer Banjospielerin der 1940er-Jahre, hinterließ Kilgallen ihre Spuren in der Stadt – und sogar auf Güterzügen, ganz im Geiste des Hobo-Lifestyles.

Nebenbei arbeitete Kilgallen als Buchbinderin in der San Francisco Public Library. Das Handwerk war Herzstück ihres Schaffens: „I like things that are handmade, and I like to see people’s hands in the world.“ Sie liebte das Unperfekte, das Menschliche. Von der Typografie alter Bücher inspiriert, beschränkte sie ihre Farbwelt überwiegend auf Schwarz und Rot. Experimente mit Drucktechniken, Schrift und Schildermalerei führten zu der markanten Zweidimensionalität ihrer Arbeiten. Bücher und Briefe bedeuteten ihr viel – als Träger von Wissen, Nähe und Sprache. Schon Ende der 1990er-Jahre beklagte sie den Verlust handgeschriebener Worte im Zeitalter des Internets. Wörter wählte sie nach Klang und Form, nicht nach Bedeutung.

Unsere Arbeit ist dabei besonders typisch: Die Buchstaben sind stilisiert und in altertümlichen Versalien ausgeführt. „Molllasas“ ist abgeleitet Molasses (deutsch: Melasse). Indem Kilgallen das Wort bewusst verfremdete, rückte sie Klang, Rhythmus und Struktur in den Vordergrund – die Bedeutung selbst wird dabei zur Nebensache. Die eleganten, rhythmisierten Buchstaben stehen in starkem Kontrast zur Vorstellung einer zähflüssigen, zuckrigen Masse. Ein Zirkelschluss ergibt sich darin, dass auch diese Masse ein Abfallprodukt ist – ebenso wie das Material, auf dem die Arbeit entstand – das jedoch als Futtermittel oder Zuckeralternative eine neue Verwendung findet.

Kilgallen bewunderte starke, eigensinnige Frauen wie Fanny Durack, erste Schwimm-Olympiasiegerin oder ihr Alias-Vorbild Matokie Slaughter – und blieb selbst bis zuletzt unbeirrbar. Während ihrer Schwangerschaft kehrte ein Jahre zuvor überstandener Krebs zurück. Ganz auf ihre Kunst und ihr ungeborenes Kind bedacht, arbeitete sie unermüdlich an ihrem Beitrag zur Gruppenausstellung „East Meets West“ im Institute of Contemporary Art in Philadelphia. Innerhalb kurzer Zeit verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand dramatisch, und Kilgallen verstarb am 26. Juni 2001 – drei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter Asha. Ihr plötzlicher Tod markierte das Ende einer vielversprechenden Künstlerinnenlaufbahn, die gerade erst an Fahrt gewann.

In den letzten Jahren fand ihre Arbeit endlich die lange überfällige museale Anerkannung mit ihrer bis dahin größten institutionellen Einzelausstellung „that’s where the beauty is.“, die von 2020 bis 2021 im Aspen Art Museum, moCa Cleveland und im Bonnefantenmuseum Maastricht zu sehen war.



Felicitas von Woedtke

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