Lupe
Antony Valerian – erste Reihe Hunderennen
erste Reihe Hunderennen. 2022. 200 x 160 cm. ©️ Antony Valerian

Ausstellung

Antony Valerian – erste Reihe Hunderennen

Sa, 14.01.2023 –
Sa, 21.01.2023

Grisebach
Fasanenstraße 25
10719 Berlin

Ausstellung

14. bis 21. Januar 2023
Mo bis Fr geöffnet von 10 bis 18 Uhr
Sa geöffnet von 11 bis 16 Uhr

Eröffnung am 13. Januar 2023 um 18 Uhr
Fasanenstraße 25, 10719 Berlin

 

Der Fehler in der Ahnengalerie
Antony Valerians Frauen des 21. Jahrhunderts

Natürlich wissen wir nichts über diese Frau in Gelb. Aber wir sehen, dass ihr Gewand herrschaftlich wirkt, ihre Haltung eine selbstbewusste Ruhe ausstrahlt, ihr Gesicht Erfahrung widerspiegelt. Die Zigarette in ihrer Hand, von der weißer Rauch aufsteigt wie ein Signal, hat etwas Selbstbestimmtes, über die Konventionen Erhabenes.

Was immer die Frau mit der schwarzen Haube da auf der runden Tischplatte mit ihren Händen tut, kann sie sehr gut. Wahrscheinlich ist es ihre Spezialität. Sie muss nicht einmal hinschauen, so oft hat sie in ihrem Leben schon mit diesen Materialien hantiert. Und sie braucht wirklich keine Bestätigung von irgend jemandem.

Oder die Frau im grünen Faltenrock. Vielleicht hatte mal jemand neben ihr gestanden, aber jetzt steht sie allein, und das ist mehr als plausibel. Ein Raster zeigt wo ihr Platz ist: in der Mitte.

Der Maler Antony Valerian hat diese Frauen in den Fotografien von August Sander entdeckt. Sie stammen aus Sanders „Menschen des 20. Jahrhunderts“, einem großen Archiv fotografischer Porträts aus allen Bereichen der Gesellschaft. Diese Frauen waren Bäuerinnen, die Frauen der Bauern.

Es gibt nichts, das Menschen lieber anschauen als Menschen. Schon Neugeborene, die nahezu gar nichts können, sind mit dieser einen Fähigkeit ausgestattet: In Gesichtern zu lesen. Das Entschlüsseln von Ausdruck ist für sie vom ersten Moment an lebenswichtig. Wir können von Anfang an nicht anders als hinzuschauen. Es ist dieser Impuls, der uns unser Leben lang verbindet – zu entschlüsseln, was wir in der oder dem Gegenüber sehen. Selbst wenn das Gesicht, das wir zu lesen versuchen, das eines gemalten Menschen ist. Oder: Erst recht dann.

Antony Valerian malt Menschen wie hinter einem transparenten Vorhang. Alles ist da, die Positur, das Gesicht, die Garderobe. Aber nichts gänzlich ausbuchstabiert. Wie in einem Traum, in den man nicht hineinzoomen darf, weil sich sonst der Hintergrund nach vorne schiebt und sich zwischen uns stellt. Bleibt nur, die Distanz zu wahren und mit dem weiterzumachen, was gewiss ist. Gewiss ist eine lange Tradition der Herrscherbildnisse. Kann es sein, dass wir es hier mit einer Ahnengalerie zu tun haben?

Ja, und zwar mit der Ahnengalerie der Porträtmalerei selbst. Seit der Antike ist sie das gängige Genre zur Repräsentation zumeist männlicher Macht. Museen, Schlösser und Sammlungen sind voll von diesen Männern. Wenn an der absoluten Spitze der Gesellschaft der reife Alleinherrscher steht – unabhängig, niemandem eine Erklärung schuldig, nach Belieben tyrannisch oder milde – dann ist an ihrem unteren Ende der Platz der alten, alleinstehenden Frau. Auch wenn sie über dieselben Attribute verfügt: unabhängig, niemandem eine Erklärung schuldig, nach Belieben tyrannisch oder milde. Alles, was seine Qualitäten sind, beweist in der Geschichte immer nur ihre Unwichtigkeit.

Antony Valerian scheint mit seinen Bildnissen diese ungerechte Grausamkeit aufzuheben. Er malt diese Frauen so, wie es sonst nie jemand tut. Er gibt ihnen das Recht, vollkommen undurchschaubar zu bleiben. Sie nehmen sich ihren Raum, und sie geben uns nichts von dem, was die Geschichte uns zu erwarten gelehrt hat: Hier sind keine Anmut, keine Beflissenheit oder Gelehrsamkeit zu erkennen. Ihre Rollen haben die Frauen auf den Bildern von Antony Valerian sich ganz alleine selbst gegeben, sie halten an ihnen fest, sie denken gar nicht daran, zu gefallen oder etwas zu ändern oder Platz zu machen. Sie sind Herrscher.

Alte Gesichter, sagt Antony Valerian, seien für ihn viel interessanter zu malen. Es passiert mehr, es ist mehr da. Wir wissen nichts über diese Frau in Gelb. Aber sie weiß etwas über uns.

Silke Hohmann, Berlin 2022

 

 

Antony Valerian (b. 1992 in Hamburg, Germany; lives and works between Berlin, Lisbon and Marrakech) studied at the Academy of Fine Arts in Vienna at Daniel Richter’s Expanded Pictorial Space. He recently received the Pollock-Krasner-Foundation-NYC Grant.

Valerian´s last solo exhibition in Berlin was held at Galerie Crone in 2019.

Valerian´s painting in which he moves is like a sequential glitch in the matrix of our visual pictorial knowledge. Everything is processed into each other or has been separated in the layering of color, duct or composition viewed closely. Which arises and falls apart at same when stepping back.

The satisfaction of appetite happens to be impossible

The satisfaction of appetite is frustrating

So its always better to be a little bit hungry

In his paintings he tries to not feed till sated. He wants to leave space to be filled. The space that is left for the satisfaction of appetite. Telling is always also inventing

"Valerian takes a problem-solving approach to painting which translates into disproportional perspectives, innovative surface textures and surprising use of colour." Colección Solo Madrid

Since 2015, has exhibited in Madrid, Hamburg, New York, Moscow, Vienna and Berlin, among others

 

Highlights

 

erste Reihe Hunderennen. 2022. 200 x 160 cm

Bacchus. 2022. 190 x 230 cm

des Teppich warmes Reich. 2021

die Zukunft auswendig kennen. 2022. 200 x 150 cm

follow the white rabbit. 2021. 200 x 160 cm

I´m the antenna, catching vibration. You're the Transmitter, givin’ information. 2021. 200 x 160 cm

in eines Katers Hirn der nicht mehr fischt. 2021. 220 x 190 cm

kurz vor zehn Zeit zu gehn. 2021. 200 x 160 cm

Weltraumschrott I mirror mirror on the wall. 2022

© Antony Valerian

 

Blick in die Ausstellung