Joseph Karl Stieler
Mainz 1781 – 1858 München
„Helene Sedlmayr“. Um 1831/34
Öl auf Leinwand. 71,7 × 58 cm. (28 ¼ × 22 ⅞ in.) Werkverzeichnis: Vgl. von Hase 291. Eine der beiden bei Hojer (s.u.) erwähnten Repliken der Jahre 1831 und 1834. Hinterlegter Einriss oben links. Craquelé. [3128] Gerahmt
ProvenienzHelene Sedlmayr, München (wohl ein Geschenk von König Ludwig I., seitdem in Familienbesitz)
Addendum/ErratumMit einem Gutachten von Dr. Ulrike von Hase-Schmundt, München, vom 19. Mai 2023. Das Bild wird aufgenommen in die neue Auflage ihres Werkverzeichnisses von Karl Joseph Stieler. Gemäß Stielers Kassenbucheintrag datiert sie das Bild auf das Jahr 1831 und bestätigt, dass es sich um ein Geschenk König Ludwig I. an Helene Sedlmayr handelt.
EUR 80.000 – 120.000
USD 87,000 – 130,000
Literatur und AbbildungGerhard Hojer: Die Schönheitsgalerie König Ludwigs I. Regensburg, Verlag Schnell & Steiner, 1997 (zuerst 1979), S. 66
Eine Reihe Frauen, jede von individuellem Liebreiz. Erlesene Geschöpfe in beinahe hörbar raschelnder Seide, geschmückt mit schimmernden Perlen und Zöpfen. Anmut also in Vielfalt, gemalt von ein und derselben Hand: Die kann man heute noch im Schloss Nymphenburg bestaunen.
Die Idee, Bilder von Schönheiten zu versammeln, stammt wohl von den Adeligen im ästhetikvernarrten Italien. Die erste dieser Schönheitengalerien wird jedenfalls dem Markgrafen von Mantua im 17. Jahrhundert zugeordnet, aber auch andere hochrangige Mitglieder europäischer Herrscherhäuser folgten seinem Beispiel.
Attraktive Frauen nebeneinander aufzureihen – aus heutiger Perspektive wirkt das rückständig, sexistisch, patriarchalisch, to say the least (obwohl Instagram eigentlich auch oft nichts anderes ist). Aber die Galerie, von der hier die Rede ist, bedeutete trotzdem so eine Art gesellschaftlichen Mini-Fortschritt. Sie entstand zwischen 1827 und 1850 und wurde eine der berühmtesten; die von König Ludwig I. von Bayern. Das Besondere daran? Neben Fürstinnen hingen Tänzerinnen, neben englischen Ladys Bauerntöchter, Adelige also neben Bürgermädchen und -frauen, denn Schönheit, so die Botschaft, kennt keine Stände.
Porträtiert hatte sie Joseph Karl Stieler, dessen Schaffen mehrere Einflüsse und Epochen prägten. Er stammte aus einer künstlerischen Familie, hatte sich selbst das Malen von barocken Miniaturen beigebracht, war dann nach Wien gezogen, um an der K.k. Akademie zu studieren, weiter nach Paris, um beim klassizistischen Porträtmaler François Gérard zu lernen und hatte abschließend noch einige Zeit in Mailand gearbeitet.
1812, wieder zu Hause, zeichneten sich seine Bilder durch eine hohe technische Perfektion aus. Es war der ideale Moment für einen Künstler seiner Fertigkeit, denn auch in bürgerlichen Kreisen wuchs der Bedarf an Porträts. Wie damals die Allgemeine Deutsche Biographie feststellte: „Jetzt wurde [Stieler] ‚Mode‘ in der Haute volée und es gehörte zum guten Ton, sich von [ihm] abconterfeien zu lassen“. Stieler war nun also Menschenmaler und -versteher. Seine Striche waren sicher, seine Inszenierungen sorgfältig, die Porträtierten von einer glatten, eleganten Kühle. 1820 wurde er zum bayerischen Hofmaler ernannt. Und porträtierte, neben Schönheit, auch immer wieder die kulturelle Elite dieser Tage. Tatsächlich sehen wir heute viele von ihnen so, wie Stieler sie sah, denn von ihm stammt DAS Bild von Beethoven, der mit wachem Blick, wildem Haar, rotem Halstuch und gezücktem Stift Partituren notiert. DAS Bild von Goethe mit Tuch und Krawattennadel. Und eben auch das Porträt von Helene Kreszenz Sedlmayr, dem wohl berühmtesten Motiv der 38 Damen im Schloss Nymphenburg. Sedlmayr gilt mittlerweile als Inbegriff der „schönen Münchnerin“. Ihr Konterfei schmückt Postkarten und Pralinenschachteln. Wer wäre sie wohl in der Jetztzeit? Schwer zu sagen. Am ehesten vielleicht ein Topmodel, das einst in der Fußgängerzone von einem Talent-Scout entdeckt wurde. Die aus dem Chiemgau stammende Schusterstochter Helene jedenfalls war Dienstbotin in einem Geschäft in der Münchner Briennerstraße, welches den Königskindern das Spielzeug in die Residenz lieferte. Bei einem ihrer Botengänge fiel sie König Ludwig I. auf. Er engagierte sie für die Schönheitengalerie und kaufte ihr die Kleidung für ihre Sitzung, wie er am 13. Dezember 1830 notierte über Helene, „...der ich eine schöne, silberne Riegelhaube, silberne Ketten für das Mieder, ein Halstuch, Kleid gegeben...“.
Ihre Jugend ist in Stieler-Art idealisiert: der Blick seelenvoll abwesend, das glänzende, übervolle Haar geflochten und madonnenhaft gescheitelt, der Mund sacht aufgeworfen. Über das fertige Porträt war der König entzückt: „Bist nicht gemalt! Du bist es selbst, Du lebst! Die Augen, liebeschwimmend sehen mich an!“ (Rebecca Casati)
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